“Ich mag das Wort -Migrant- nicht…" - Toplum24
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“Ich mag das Wort -Migrant- nicht…"

 

Ein Exklusiv-Interview mit dem frisch gewählten Bürgermeister von Heusenstamm:

“Ich mag das Wort -Migrant- nicht. Ich bin ein Deutscher mit anderen Wurzeln...”

Er ist eigentlich Anwalt, 38 Jahre jung, und hätte sich vielleicht nie träumen lassen, dass er einmal Bürgermeister seiner Heimatstadt werden würde. Doch er hat es geschafft und hat sein Amt gerade angetreten. Unser junger Korrespondent Levent ERFİLİZ sprach mit ihm.

Toplum: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl! Haben Sie erwartet, die Wahl zu gewinnen, gerade als Migrant in einer konservativen Stadt?

Halil Öztaş: Ich hatte mir schon gedacht, dass ich das durchaus schaffen kann, weil die Stimmung in der Stadt sehr positiv war und als ich in die Stichwahl gekommen bin, war ich schon der Meinung, dass ich das packen werde. Ich hatte aber mit einem knapperen Ergebnis gerechnet. Toplum: Wie fühlen Sie sich denn jetzt als erster türkischstämmiger Bürgermeister von Heusenstamm? Halil Öztaş: Es ist ein historischer Erfolg. Es zeigt meines Erachtens, dass man sich auch mit einem anders klingenden Namen nicht verstecken muss, sondern dass, wenn man solide Politik macht, selbstbewusst auftritt und Überzeugungskraft hat, die Bevölkerung bei einer Persönlichkeitswahl wie einer Bürgermeisterwahl das akzeptiert und dann auch alte Strukturen über Bord wirft und eine Person wählt, die einen anderen Namen hat.

Toplum: Als was fühlen Sie sich? Als Türke, als Deutscher, oder als Heusenstammer?

Halil Öztaş: Ich bin Deutscher mit türkischen Wurzeln, und darauf bin ich auch stolz. Ich habe zwei Kulturkreise, die ich bestens kenne und wovon ich auch im Leben viel profitieren kann.

Toplum: Haben Sie sich schon immer für Politik interessiert? Woher kam das Interesse dafür? Kam es von den Eltern, von Freunden oder aus Ihnen selbst? Und was war Ihre Motivation, es zu verfolgen und letztendlich sogar als Bürgermeister zu kandidieren?

Halil Öztaş: Ich habe mich natürlich immer für Politik interessiert. Das bleibt nicht aus, wenn man als Rechtsanwalt tätig ist, da muss man die politischen Entwicklungen immer zeitnah mitverfolgen. Es war bei mir konkret so, dass ich mich gar nicht aktiv darum beworben habe, Bürgermeister zu werden, sondern diese Kandidatur ist mir angetragen worden von der SPD Heusenstamm. Ich war selbst am Anfang überrascht, weil Heusenstamm doch eine erzkonservative Gemeinde ist, in der man nicht unbedingt auf Anhieb erwartet hätte, dass da einer der von der SPD aufgestellt wird und dann noch einen türkischen Namen hat, auch wirklich gewählt wird. Aber die Bevölkerung hat mich eben gewählt.

Toplum: Was haben Sie in Ihrem Amt als Bürgermeister jetzt konkret vor, in Heusenstamm zu verändern?

Halil Öztaş: Ich habe ja ein sehr ausführliches Wahlprogramm geschrieben, das ich qualitativ von den vier Bewerbern die da waren, als das beste und durchdachteste Programm überhaupt ansehen würde. Ich habe darin zum Beispiel verschiedene Problempunkte angesprochen, die man auf jeden Fall angehen muss und die bisher nicht im Fokus der Öffentlichkeit waren, insbesondere auch, was Projekte mit Jugendlichen und jungen Erwachsene anbelangt. Da habe ich einzelne Punkte und Überlegungen aufgestellt, die ich in Zusammenarbeit mit dem Stadtparlament und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung zeitnah angehen möchte.

Toplum: Welche Projekte speziell für Jugendliche planen Sie? Was fehlt für die Jugendlichen in Heusenstamm und was wollen und können Sie da ändern?

Halil Öztaş: Es ist ein allgemeines Phänomen in Heusenstamm, dass viele Jugendliche beklagen, keine Freizeitmöglichkeiten und keine adäquaten Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer Freizeit zu haben. Da habe ich konkret vorgeschlagen, das Jugendzentrum in die Nähe des Schwimmbads zu verlegen, damit es zentraler gelegen ist und von vielen besser erreicht werden kann. Es gibt Projekte die ich angehen möchte, wie zum Beispiel ein Kinder- und Jugendparlament, das ich gründen möchte, um damit Kinder und Jugendliche mit einzubinden in politische Diskussionen und Entscheidungen, weil ich der Meinung bin, dass man die Politikverdrossenheit und das Desinteresse vieler Kinder und Jugendlicher an Politik angehen sollte. Ich glaube, bei Projekten, die Kinder und Jugendliche angehen, ist es vielleicht gar nicht mal so schlecht, auch die Menschen zu hören die es betrifft und die wissen worum es geht. Insofern finde ich, sollte man sie einbinden.

Toplum: Glauben Sie, dass Ihre Wahl auch speziell bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu einem Umdenken über Politik führen wird?

Halil Öztaş: Ich kann auf jedem Fall schon aus dem Wahlkampf berichten, dass allein meine Kandidatur zu einem vermehrten Interesse unter Kindern und Jugendlichen geführt hat. Wenn ich dann auf Schulfesten war und Kinder nach ihrem Berufswunsch gefragt habe, haben sie auf einmal gesagt: „Ich will Bürgermeister werden.“ Das kam nicht nur einmal vor, sondern öfters und es ist sicherlich auch ein Zeichen für viele Kinder, wobei ich den Begriff „Migrant“ nicht mag, denn einer der in Deutschland geboren ist, ist für mich kein Migrant, auch wenn er andere Wurzeln hat. Aber ich denke auch, dass viele die nichtdeutsche Eltern haben, gemerkt haben, dass man mit Fleiß, Engagement und harter Arbeit im Leben Erfolg haben, entsprechend beruflich vorankommen und, ich sag mal, in der Mitte der Gesellschaft ankommen kann. Toplum: Welchen Appell würden sie an Jugendliche richten, die sagen, sie möchten sich nicht politisch engagieren, weil sie nicht so viel Verantwortung übernehmen wollen? Halil Öztaş: Das Leben ist kein einfaches Geschäft. Natürlich spielt es eine Rolle, dass man eine gute Bildung hat. Natürlich ist Bildung die Grundlage überhaupt, dass man im Leben erfolgreich ist. Ich muss auch sagen, der Erfolg, den ich jetzt hier bei der Bürgermeisterwahl erzielt habe, rührt möglicherweise auch daher, dass ich in meinem Leben bisher vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgegangen bin. Ich war Schiedsrichter, ich war Lehrwart der Schiedsrichter-Vereinigung in Frankfurt, ich bin jetzt Vorsitzender des Verbandsgerichts und habe da sehr viel Verantwortung übernommen. Und allein diese Tatsache hat vielleicht vielen Menschen in Heusenstamm gezeigt, „der Junge übernimmt Verantwortung und führt seine Aufgaben auch zur Zufriedenheit aller Beteiligten aus, also können wir ihm vertrauen.“ Insofern sage ich: Auf jeden Fall sind Bildung und ehrenamtliches Engagement mit die Grundlagen überhaupt, um im Leben erfolgreich zu sein und politische Ämter bekleiden zu können.

Toplum: Wollen Sie auch langfristig in der Politik bleiben?

Halil Öztaş: Das entscheidet natürlich der Bürger, also der Wähler, ob ich langfristig dabei sein werde oder nicht. Aber ich denke, wenn ich meine Sache gut mache, dann führt kein Weg daran vorbei, dass ich darum gebeten werde, ein zweites oder ein drittes Mal anzutreten. Und mit jetzt 38 Jahren bin ich noch ziemlich jung in der Politik und insofern ist die politische Laufbahn da nicht zu Ende. Toplum: Welche weiteren Ziele haben Sie, die Sie noch erreichen wollen, vielleicht, Hessischer Ministerpräsident zu werden? Halil Öztaş: [lacht] Das wäre natürlich eine noch ehrenvollere Aufgabe, aber ich konzentriere mich jetzt in erster Linie auf Heusenstamm. Ich habe mich für 6 Jahre zur Wahl gestellt und verpflichtet und das werde ich auf jeden Fall erfüllen. Nach Möglichkeit würde ich dann noch eine zweite Amtsperiode machen, dann wäre ich 50 Jahre alt und immer noch jung genug, um vielleicht in die Landes- oder Bundespolitik zu gehen. Aber daran denke ich im Moment noch nicht.

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